Spurensuche
Abbildung: Postkarte von der Einweihung des Denkmals
für den Jenaer Pädagogen Wilhelm Rein aus
dem Jahr 1931.
Das ehemalige Wilhelm-Rein-Denkmal am Fürstengraben 23
Das heutige Denkmal für Ernst Abbe (1840-1905) vor der Alten Universität geht in seiner Gestalt auf ein Denkmal für den Pädagogen Wilhelm Rein (1847-1929) zurück.
Nach dem Entwurf und der künstlerischen Umsetzung des Münchners Josef Gangl trug der Sockel ursprünglich eine sterbende Jünglingsfigur aus Bronze und eine marmorne Reliefplatte mit dem Profilbildnis Reins. Die figürliche Darstellung symbolisierte die pädagogische Arbeit des im Porträt dargestellten Geehrten. Indem sich das Bildnis Reins mit einer Umsetzung seiner Berufsidee verband, entstand eine für die Via Triumphalis neue Denkmalform, die schließlich auch am späteren Abbe-Denkmal aufgegriffen wurde.
Wilhelm Rein, 1886 als Nachfolger von Karl Volkmar Stoy zunächst zum Honorarprofessor berufen, begründete 1912 in Jena die erste ordentliche Professur für Pädagogik an einer deutschen Universität. Durch seine vielfältigen publizistischen Tätigkeiten, den Ausbau der Universitätsübungsschule und der Universitätsferienkurse machte er sich einen international geschätzten Namen als Schul- und Erziehungswissenschaftler und weitete Jenas Ruf als 'Mekka der Pädagogik'. Im Sommer 1929 erging vom 'Verein der Freunde wissenschaftlicher Pädagogik in Thüringen und Franken' der Aufruf zur Errichtung eines Denkmals für Wilhelm Rein, das im Jahr 1931 feierlich enthüllt wurde.
Abbildung: Foto des heutigen Abbe-Denkmals
Zum Zweck der Materialbeschaffung wurde inden letzten Kriegsjahren die Gedenkstätte mit der Abnahme der Bronzefigur teilweise zerstört. Dem Bestreben, 1957 das Denkmal wiederherzustellen, folgte 1971/72 im Rahmen der Restaurierungsmaßnahmen der Denkmäler am Fürstengraben die Entfernung der noch erhaltenen Marmorplatte und die Anbringung eines Bildnis Ernst Abbes als Eisengussrelief. Zum 70. Todestages Abbes wurde das neue Denkmal nach Entwürfen Karl Sommerer zum heutigen Aussehen vervollständigt und 1977 eingeweiht.
In der wechselvollen Geschichte des Denkmals spiegelt sich die ideologisch geprägte Rezeption Wilhelm Reins: Vom einflussreichen Pädagogen mit internationalem Renommee des Kaiserreiches, der in der Weimarer Republik hoch geehrt wurde, wird er in den 1960er Jahren zum bürgerlichen Chauvinisten und Kriegstreiber vereinfacht und sein Andenken aus der Ehrenriege entfernt.
Redaktion: Melissa Behm
Friedrich Gustav Zenker (1808–1875) - Ein (fast) vergessener Jenaer Pädagoge
Abbildung: Gedenktafel zu Ehren Friedrich Gustav Zenkers am hinteren Flügel – heute Zenkerhaus – des Haupthauses (Foto: S. E. Kleeberg)
Im Jahre 1834 gründete sich am 6. Juni in Jena offiziell die älteste private Erziehungs- und Unterrichtsanstalt der Stadt unter Leitung des Theologen und Pädagogen Dr. phil. Friedrich Gustav Zenker (1808–1875), der bereits während seiner Studienzeit pädagogische Erfahrungen im Unterrichten und Erziehen gesammelt hatte, eine besondere Vorliebe für die antike Literatur und die alten Sprachen hegte1 und auch seine Erziehungsziele stark an dem Vorbild antiker Bildungsideale orientierte.
Das Zenkersche Institut nahm am 1. Juli 1834 mit nur acht Zöglingen den Unterricht auf,2 trug laut der Publikation Zenkers von 1845 die Bezeichnung „Elementar-, Real-, Progymnasial-, Bildungs-Institut“,3 ab 1859 „Progymnasial-, Prorealgymnasial- und Realschul-Anstalt“4 und war ab 1844 im über die Grenzen Jenas hinaus bekannten, zwischen 1798 und 1837 von dem Verleger und Buchdrucker Carl Friedrich Ernst Frommann (1765–1837) gemieteten und bewohnten Anwesen am Fürstengraben 7 (heute Fürstengraben 18) untergebracht,5 wo es zu einer größeren Anstalt mit angeschlossenem Internat und über Jena hinaus in Europa, Nord- und auch Südamerika bekannt wurde.6
Abbildung: Das Zenker`sche Institut (Quelle: Zenker, Friedrich Gustav: Ueber das Wesen der Bildung mit besonderer Berücksichtigung der Erziehung und des Unterrichts nebst Lehrplan und Nachrichten von der Zenker`schen Unterrichts- und Erziehungs-Anstalt. Von dem Director derselben Professor Dr. Gustav Zenker, Jena 1859. S. 144.)
Da Zenker bis zu seinem plötzlichen Tod durch einen Schlaganfall am 30. Dezember 18757 unverheiratet und kinderlos geblieben war, gab es keinen direkten Nachfolger zur Übernahme und Fortführung seiner Unterrichts- und Erziehungs-Anstalt.8 Und da für das Jahr 1876 bereits die Eröffnung eines öffentlichen Gymnasiums in Jena geplant war, wurde „das älteste Privat-Unterrichts-Intitut in Jena“9 am Ende des Winterhalbjahres, zu Ostern des Jahres, geschlossen.10 Weil sich aber die Eröffnung des städtischen Gymnasiums verzögerte (es konnte schließlich 1877 eröffnet werden11), wurden die übrigen Schüler teilweise in die kurz zuvor (wieder)eröffnete Stoysche Anstalt (Friedrichs-Schule) überführt. Das Zenkersche Anwesen selbst ging in den Besitz von Zenkers Nichte, Eugenie (1830–1909),12 die seit 1869 zweite Ehefrau des Theologen Adolf Hilgenfeld (1823–1907)13 war, über.
Die Gründe für den Erfolg der 42 Jahre lang bestehenden Zenkerschen Anstalt waren recht vielfältig. An erster Stelle ist Friedrich Gustav Zenker selbst zu nennen, dem es gelang hoch qualifizierte Lehrkräfte zu gewinnen, sein Institut straff durchzuorganisieren, ein breites Spektrum an Unterrichtsfächern und Freizeitangeboten für die Schüler zu etablieren sowie für ausreichend Unterrichts-, Aufenthalts- und Wohnräume zu sorgen. Darüber hinaus zeichnen die Visitationsakten der Jahre 1852 bis 1858 ein lebhaftes Bild von der als vorbildlich in ihrem Funktionieren und ihrer Entwicklung durch die Kirchenführung wahrgenommenen Lehranstalt,14 die ihren Ansprüchen stets nachgekommen ist und auch gesellschaftlich ein hohes Ansehen genoss.
Ehemalige Schüler der Zenkerschen Unterrichts- und Erziehungsanstalt, so genannte Zenkeraner, veranstalteten im Jahre 1909 am 27. November im Zuge der Jahrhundertfeier zum Gedenken des 101. Geburtstages ihres Schuldirektors einen spezieller Zenkeranertag.15
Neben einem festlichen Programm wurde als ganz besonderer Festakt eine Tafel zur Erinnerung an das Wirken Friedrich Gustav Zenkers und zu seinen Ehren am mittleren Gebäude des ehemaligen Zenkerschen Anwesens angebracht, die die Fassade des Gebäudes bis 1995 dominierte.16
Abbildung: Feierliches Anbringen der Plakette zum Gedenken an und zu Ehren von Friedrich Gustav Zenker, am mittleren Gebäude der ehemaligen Zenkerschen Anstalt am 28. November 1909. (Quelle: B. Forster)
In Jahre 1995 setzten umfassende Renovierungsarbeiten zur Rückversetzung des Gebäudekomplexes in den baulichen Zustand um 1800 ein, die zur Versetzung der Zenker-Tafel an die Westseite des hinteren Flügels des Haupthauses – heute Zenkerhaus – führten. Darüber hinaus erfuhr das ehemalige Zenkersche (1844 – 1875) und später Hilgenfeldsche Anwesen (1876–1945/1992–1994) eine Umbenennung in „Frommannsches Anwesen“, um damit symbolisch an die für die Universitäts- und geisteswissenschaftliche Geschichte Jenas wichtige Wirkungsstätte Carl Ernst Friedrich Frommanns zu erinnern, die ein bedeutendes geistiges Zentrum der Romantik und Klassik in Deutschland darstellte.
Neben der Tatsache, dass das heutige Frommannsche Anwesen mit der Adresse Fürstengraben 18 als Teil des Universitätsensembles seit 1999 zwei Institute – für germanistische Literaturwissenschaft und das Kunsthistorische Seminar – beherbergt und einen Ort darstellt, der zur genuinen Universitätserinnerungskultur Jenas zählt, hat es auch im Hinblick auf die Schul- und Pädagogikgeschichte der Stadt große Bedeutung erlangt. Immerhin beherbergte es 42 Jahre lang die älteste private Erziehungs- und Unterrichtsanstalt der Stadt mit internationaler Ausstrahlung, aus der zahlreiche, in Jena und auch deutschlandweit berühmt gewordene Geistesgrößen und bedeutende Akademiker des 19. Jahrhunderts hervorgingen. Damit stellt das Frommannsche Anwesen weit mehr dar als einen rein universitären Erinnerungsort, sondern gehört zu den wohl bedeutendsten historischen Gebäuden der Stadt Jena.
Dieser Artikel entstand in Kooperation von Dr. Babett Forster, Leiterin der Kustodie des Kunsthistorischen Seminars Jena, von Prof. Dr. Michael Wermke, Inhaber des Lehrstuhls für Religionspädagogik an der Theologischen Fakultät, und Dr. Sylvia E. Kleeberg, Kultur- und Bildungshistorikern am Lehrstuhl für Religionspädagogik an der Theologischen Fakultät.
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1 S.a.: Todesanzeige Gustav Zenker vom 3. Januar 1876. In: Jenaische Zeitung. Tages- und Gemeindeblatt (1876) Nr. 3, S. 4.
2 Vgl. Hilgenfeld, Heinrich: Art. Das Zenkersche Institut. In: Jenaische Zeitung (1934) Nr. 129. S. 4.
3 Springer, Robert: Die klassischen Stätten von Jena und Ilmenau. Ein Beitrag zur Goethe-Literatur, Berlin 1869. S. 81.
4 Vgl. Hilgenfeld, Heinrich: Art. Das Zenkersche Institut. In: Jenaische Zeitung (1934) Nr. 129. S. 4; vgl. Hilgenfeld, Heinrich: Art. Ein vergessenes Jubiläum, Sonder-Abdruck aus Nr. 208 der „Jenaischen Zeitung“ vom 5. September 1909. (= H.[einrich], H.[ilgenfeld]: Art. Ein vergessenes Jubiläum. In: Jenaische Zeitung (1909) Nr. 208. S. 2.); vgl. S.a.: Art. Vom Zenkeranertag (Jena, 1. Dezember). In: Jenaische Zeitung (1909) Nr. 286, S. 1.
5 Vgl. Hilgenfeld, Heinrich: Art. Das Zenkersche Institut. In: Jenaische Zeitung (1934) Nr. 129. S. 4; Hilgenfeld, Heinrich: Art. Ein vergessenes Jubiläum, Sonder-Abdruck aus Nr. 208 der „Jenaischen Zeitung“ vom 5. September 1909. (= H.[einrich], H.[ilgenfeld]: Art. Ein vergessenes Jubiläum. In: Jenaische Zeitung (1909) Nr. 208. S. 2.); S.a.: Zenkeranertag, 1).
6 Vgl. Manger, Klaus: Das Frommansche Haus in Jena. In: Frosini, Fabio/ Venturelli, Aldo (Hgg.): Der Ort und das Ereignis. Die Kulturzentren in der europäischen Geschichte, (Rombach Wissenschaften – Reihe Litterae, hrsg. v. Gerhard Neumann u. Günter Schnitzler; Bd. 89), Freiburg i. Br. 2002. S. 241 – 251; hier: S. 243.
7 Vgl. Beyreuther, Erich: Hilgenfeld, Adolf. In: Neue Deutsche Biographie 9 (1972), S. 140.
8 Vgl. Das Zenkersche Institut zu Jena, 1852–1858, Landeskirchenarchiv (LKAE), Superintendentur Jena (Sup./Jena), Allg. 1, Nr. 201 (alt K 19), Visitationen.
9 Vgl. S.a.: Zur Jahrhundertfeier, 27. – 29. November 1909, Jena 1909. S. 3; Dreyspring, Gustav u.a.: Zenkeranertag, Programm, Jena 1909; S.a.: Art. Vom Zenkeranertag (Jena, 1. Dezember). In: Jenaische Zeitung (1909) Nr. 286, S. 1–2
10 Vgl. Däumler, Ludwig u.a. (Hgg.): Vom Zenkeranertag. Jena, 27.–29. November 1909, Jena 1909.S. 9.
11 Vgl. Zenker, Gustav: Vita, Promotionsakte [1834], UA Jena, Bestand M, Nr. 274, Bl. 70r–72r.
12 Vgl. Zenker, Gustav: Anzeige der Institutsgründung vom 13. Juni 1834. In: Privilegirte Jenaische Wöchentliche Anzeigen (1834) Nr. 45, S. 178; vgl. Zenker, Gustav: Ueber das Wesen der Bildung mit besonderer Berücksichtigung der Erziehung und des Unterrichts nebst Lehrplan und Nachrichten von der Zenker`schen Unterrichts- und Erziehungs-Anstalt. Von dem Director derselben Professor Dr. Gustav Zenker, Jena 1859. S. 87.
13 Zenker, Gustav: Ueber das Wesen der Bildung mit besonderer Berücksichtigung der Erziehung und des Unterrichts. Womit zur öffentlichen Prüfung der Schüler des Instituts am 10. September 1845 alle Freunde des Schulwesens und insbesondere die Eltern unserer Schüler ergebendst einladet D. Gustav Zenker, Jena 1845. S. 30; Zenker, Gustav: Ein Wort über Zweck und Zweckmäßigkeit öffentlicher Prüfungen in Unterrichts- und Erziehungsanstalten, womit zu der am 9. September d. J. Statt findenden öffentlichen Prüfung der Schüler seines Instituts alle Freunde des Schulwesens und besonders die Eltern und Angehörigen seiner Schüler hochachtungsvoll einladet D. Gustav Zenker, Jena 1842. S. 26.
14 Zenker, Gustav: Ueber das Wesen der Bildung mit besonderer Berücksichtigung der Erziehung und des Unterrichts nebst Lehrplan und Nachrichten von der Zenker`schen Unterrichts- und Erziehungs-Anstalt. Von dem Director derselben Professor Dr. Gustav Zenker, Jena 1859. S. 87; Zenker, Gustav: Ueber das Wesen der Bildung mit besonderer Berücksichtigung der Erziehung und des Unterrichts nebst Lehrplan und Nachrichten von der Zenker`schen Unterrichts- und Erziehungs-Anstalt. Von dem Director derselben Professor Dr. Gustav Zenker, Jena 1869. S. 81.
15 Vgl. Hilgenfeld, Heinrich: Art. Ein vergessenes Jubiläum, Sonder-Abdruck aus Nr. 208 der „Jenaischen Zeitung“ vom 5. September 1909. (= H.[einrich], H.[ilgenfeld]: Art. Ein vergessenes Jubiläum. In: Jenaische Zeitung (1909) Nr. 208. S. 2.).
16 Vgl. Hilgenfeld, Heinrich: Art. Das Zenkersche Institut. In: Jenaische Zeitung (1934) Nr. 129. S. 4; vgl. Zimmermann, Franz: Art. Zur Erinnerung an das Zenkersche Institut. In: Jenaische Zeitung (1934) Nr. 164. S. 3; vgl. S.a.: Lokales. Ein Rückblick. In: Jenaische Zeitung. Tage- und Gemeindeblatt (1876), Nr. 27, S. 3.
17 Vgl. S.a.: Lokales. Ein Rückblick. In: Jenaische Zeitung. Tage- und Gemeindeblatt (1876), Nr. 27, S. 3.