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Die Theologische Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena trauert um Prof. Dr. Martin Seils.
Er verstarb am 18. Juli 2024 wenige Tage nach seinem 97. Geburtstag in Halle/Saale, wo er mit seiner Frau lebte. Das Ehepaar hatte 1952 geheiratet; ihm waren mehr als 70 gemeinsame Jahre geschenkt worden. Seils war von 1982 bis 1992 Professor für Systematische Theologie in Jena. Er war nach Jena bereits als in der Ökumene geschätzter lutherischer Theologe gekommen. Seils hatte mehr als 20 Jahre am Katechetischen Oberseminar in Naumburg gelehrt, 1968 einen Ruf an die Evangelisch-theologische Fakultät der Universität Heidelberg abgelehnt und mehrere Semester als gern gesehener Gastprofessor in Erfurt für katholische Studenten Ökumenische Theologie unterrichtet. Besonders bekannt wurde Seils als einer der Väter und Mitverfasser der Leuenberger Konkordie (1973), die die Kirchengemeinschaft zwischen lutherischen, reformierten, unierten und methodistischen Kirchen begründete. Eine große ökumenische Leistung stellt auch die 1959 an der Universität Halle angenommene Habilitationsschrift von Seils dar, in der er das Zusammenwirken von Gott und Mensch in Luthers Theologie herausarbeitet. Diese Arbeit ist insofern wichtig, als in vereinfachten Darstellungen Luthers Theologie so dargestellt wurde, als sei der Mensch nur passiv gegenüber Gott. Eine Kooperation von Gott und Mensch wurde in dieser Sicht als typisch römisch-katholische Lehre abgelehnt. Seils gelang es zu zeigen, dass dieser stereotyp zitierte Gegensatz nicht als Luthers Lehre behauptet werden kann. 1983 hielt Seils seine Antrittsvorlesung in Jena mit dem Titel „Marginalien zur lutherischen Theologie heute“. Als ökumenisch dialogbereiter, überzeugter lutherischer Theologie konnte Seils viele hilfreiche Impulse für die Kirchen und für die Theologie geben. Von 1975 bis 1997 war er wissenschaftlicher Leiter der Lutherakademie Sondershausen. Seine Theologie war bestimmt von Luthers Staunen darüber, dass sich der geheimnisvolle, ewige und unfassliche Gott den Menschen in Jesus Christus, in seinem Wort und in den Sakramenten von Brot und Wein gibt. Glaube, so beschrieb er es in seinem letzten großen Buch mit dem Titel „Glaube“, das in der Reihe „Handbuch der Systematischen Theologie“ erschienen ist, ist das Vertrauen auf diese Gabe, das durch die Gabe allererst ermöglicht wird.
In seinem Nachdenken über das Wort Gottes und der Menschen fand Seils auch tiefergehendes Interesse an einem Philosophen: Johann Georg Hamann. 1953 legte Seils seine Rostocker Promotion: „Theologische Aspekte zur gegenwärtigen Hamann-Deutung“ vor. Seils gelang es wie kaum einem andern, den teilweise dunkel schreibenden Hamann in der Breite seines Werks in seiner Bedeutung für die Theologie fruchtbar zu machen. Zeit seines Lebens beschäftigte Seils sich mit diesem Philosophen und war 1996 bis 2004 auch Mitherausgeber des Historischen Wörterbuchs der Philosophie.
Martin Seils war noch viel mehr als ökumenisch überzeugter Lutheraner und Hamannkenner, er blickte auf ein reiches und vielfältiges Leben zurück. Es begann am 4. Juli 1927 in dem kleinen, sehr durch die Landwirtschaft geprägten Dörfchen Schlatkow bei Greifswald. Sein Vater war Pfarrer und mit ihm zog Seils zu verschiedenen Pfarrstellen Pommerns. Er kam dabei bis nach Stolp im heutigen Polen. Er hat den 2. Weltkrieg miterlebt als Luftwaffenhelfer und Soldat, die SBZ und die DDR von Anfang bis zum Ende miterlebt, dann die gewaltfreie Revolution und das wiedervereinigte Deutschland. Seils war zeit seines Lebens in der Kirche sehr aktiv und verstand sich als Theologe, der zumindest auch und ganz besonders für die Kirche dazusein hat. Er war Mitglied der Synode der Kirchenprovinz Sachsen, der EKU, in zahlreichen Theologischen Ausschüssen und wirkte auch in der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE).
Martin Seils wird nicht aufhören uns Wege zu zeigen, Theologie ausgehend von Gottes Gabe zu betreiben, Luther und Hamann genau zu lesen und uns als Theologen im Dienst der Menschen und der Kirche zu begreifen.
Für die Evangelisch-Theologische Fakultät:
Prof. Dr. Martin Leiner, Professur für Systematische Theologie mit Schwerpunkt Ethik und
Prof. Dr. Michael Wermke, Lehrstuhl für Religionspädagogik (Dekan)